Oder nur Appetit!?
Hand aufs Herz – wie oft habt ihr euch dabei erwischt, dass ihr nach einer Hauptmahlzeit noch einen Nachtisch zu euch genommen habt, obwohl euch eigentlich gar nicht danach war? In einem Umfeld, in dem alles jederzeit verfügbar ist, und die Verlockung für Lebensmittel kaum grösser sein könnte, muss man eigentlich andauernd gegen die Natur des Menschen arbeiten. Zumindest wenn man abnehmen will. Denn, der Körper verteidigt seine Fettdepots verbissen!
Das hängt sowohl mit unserem Erbgut zusammen, als auch mit der Evolution, denn unsere Vorfahren hatten damals keine Supermärkte oder Restaurants zur Verfügung. Um die Chance aufs Überleben zu steigern, hat man sich naturgemäß bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Magen vollgeschlagen. Für unser Überleben war also relevant Unterernährung zu verhindern. Biologisch betrachtet war demnach Übergewicht kein Nachteil, sondern eine Überlebensstrategie!
Das erklärt auch, warum wir oft viel zu viel essen. Auch, wenn wir eigentlich schon lange satt sind und genau wissen, dass ein vollgefressener Bauch nicht gut für unsere Gesundheit ist. Genauso häufig kommt es vor, dass wir essen, bevor wir wirklich Hunger haben. Einfach weil wir Appetit haben. Unser Appetit bringt demnach unser Hunger- und unser Sättigungsgefühl durcheinander.
Lebensmittel im Überfluss!
In unsere heutige Konsumgesellschaft gibt es Lebensmittel im Überfluss und an jeder Ecke! Die Gesellschaft, unsere Gewohnheiten, kulturelle Feste und Bräuche, das familiäre Umfeld usw. formen unsere Verhaltensweisen. So hat sich für die Mehrheit ergeben, dass drei Mahlzeiten am Tag wohl das ist, wie man eben leben sollte. Doch wenn wir uns diese Regel oder diese Gewohnheit mal genauer betrachten, macht dieses Modell nicht für alle gleichermaßen Sinn. Denn diverse Faktoren wie Beruf, Freizeit, Alter, Köpergröße und Ernährungsform machen hier den Unterschied bzw. den Grundumsatz und Kalorienbedarf aus. Wenn wir auf das Thema Kalorien kommen, dann ist hier auch wichtig zu erwähnen, dass wir ”leere” Kalorien am besten meiden! Doch darauf gehe ich nochmal tiefer im nächsten Blogbeitrag ein…
Wie kommt Hungergefühl überhaupt zustande?
Hunger ist ein hilfreiches Warnsignal unseres Körpers, um benötigte Energie wieder aufzutanken. Unser Gehirn und unser Blutzuckerspiegel senden uns die Signale für Sättigung oder Hunger. Genauer genommen werden Hormone im Magen-Darm-Trakt ausgeschüttet – diese hemmen oder fördern die Nahrungsaufnahme und kommunizieren mit unserem Gehirn.
Vielleicht hast du schon einmal von dem Hormon „Leptin“ gehört?! Leptin ist ein wichtiger Regulator der Energiebilanz und wird vom Fettgewebe in den Organismus abgegeben. Je höher also das Fettdepot im Körper ist, desto höher der Leptin-Spiegel im Blut. Gemeinsam mit anderen Hormonen (wie zum Beispiel das Hormon Ghrelin, welches für Appetit sorgt) wird über diese Signale an das Gehirn die Nahrungsaufnahme reguliert. Genau dieses Zusammenspiel ist für viele Menschen kaum noch spürbar, da diese sich zu oft vom Appetit leiten lassen.
Appetit ist jedoch auch sehr wichtig! Gutes, schmackhaftes Essen führt wie Drogen, Alkohol, Sex, etc. zu einer Aktivierung unseres Belohnungssystems. Das Hormon Dopamin wird ausgeschüttet und gibt uns Motivation und sorgt für Tatendrang. Auch das ist von der Natur so eingerichtet – missbrauchen wir jedoch diesen Effekt und haben zu viel Dopamin-Kicks an einem Tag, dann verlieren wir das Gespür für Belohnungen und Hunger.
Und wann sind wir satt?!
15-20 Minuten nach der Nahrungsaufnahme tritt das Sättigungsgefühl in der Regel ein. Die Magenfüllung reguliert dieses zudem zusätzlich. Bei Ballaststoffen beispielsweise tritt das Sättigungsgefühl früher ein, da wir diese lange kauen müssen und diese im Magen aufquellen. Wichtig dabei zu erwähnen wäre, dass man außerdem ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen sollte. Langfristig wird die Nahrungsaufnahme über die Körperfettmenge reguliert und hier kommt wieder das Hormon Leptin ins Spiel, dass ein wichtiger Regulator unserer Energiebilanz ist.
1. Problem: Du erwischt dich oft beim unbewussten Naschen oder Snacken.
Schritt 1 – Erkenntnis:
Mögliche Beobachtungen könnten sein…
- während des Kochens schon naschen,
- immer wieder eine Hand voll Nüsse/Chips oder Süßigkeiten zu sich nehmen während man eigentlich etwas ganz anderes zubereitet,
- sobald man die Küche betritt den Kühlschrank öffnen obwohl man eigentlich gar nichts sucht oder essen möchte,
- abends vor dem TV snacken.
Das alles sind Unbewusste, etablierte Gewohnheiten, die es erstmals zu erkennen gilt – das bedeutet für dich: Selbstbeobachtung und Achtsamkeit bei all den Momenten, in denen du mit Lebensmitteln in Kontakt kommst. Besonders in der Öffentlichkeit, beispielsweise im Restaurant oder auf Familienfeiern.
Schritt 2 – Akzeptanz:
Bitte verurteile dich nicht für dein Verhalten. Gerade in der westlichen Welt ist es selbstverständlich überall mit Essen und Essens-Gerüchen in Kontakt zu kommen, dazu den Kühlschrank immer voll zu haben. Die Versuchungen sind groß – sehe es eher als Erfolg an, dass du dein Verhalten identifizieren konntest – das ist schon ein großer Schritt!
Schritt 3 – Kommunikation:
Vielleicht kriegst du von deinem Umfeld oft mal etwas angeboten, einfach nur als Form von Aufmerksamkeit und Liebe. Das kann sein…
- ein selbstgebackener Kuchen,
- deine Lieblings-Pizza (die für dich bestellt/gemacht wurde),
- eine kleine Nascherei (die dich an deine Kindheit erinnert), die dir deine Liebsten oft anbieten,
- die kommende Grillparty, an der es unzählige Auswahlmöglichkeiten an süßen Nachspeisen oder Snacks gibt,
- usw.
Bitte verstehe den Punkt nicht falsch hier – du solltest dir immer dann was gönnen, wenn DU das bewusst für dich entscheidest. Kommt es jedoch sehr oft vor, dass dein Umfeld dich erst auf diese “Gönnereien“ aufmerksam macht, obwohl du gar nicht den Gedanken hattest dir etwas zu nehmen, dann mache deinem Umfeld aufrichtig und dankbar klar, dass dir gerade nicht danach ist und du darauf achtest beispielsweise aktuell weniger industriellen Zucker oder stark verarbeitete Produkte zu dir zu nehmen.
Rechtfertigen brauchst du dich eigentlich nicht! Es geht in diesem Punkt viel mehr darum, dein Umfeld in deine neuen Verhaltensweisen einzuweihen. Auch, wenn diese Gesten lieb gemeint sind, kann sich das oft so anfühlen, als würden einem Steine in den Weg gelegt werden – ein sehr herausfordernder und wichtiger Punkt, da unser enges Umfeld ein sehr großer Einfluss auf uns hat.
Schritt 4 – Eins nach dem anderen:
Sich eine schlechte Gewohnheit abzugewöhnen, und dafür eine gute anzugewöhnen, klingt erstmal nach einem Kinderspiel, ist aber härter als man denkt. Warum das so ist, erkläre ich in meinem vorherigen Blogbeitrag: Neues Jahr- neues Ich?!
Kurzum: Veränderung ist harte Arbeit und unser Kopf sehnt sich lieber nach bekannten und demzufolge gemütlicheren Wegen. Auch wenn man es sehr oft hört, erwähne ich hier erneut: Versuche erstmal EINE Gewohnheit zu verändern oder neu zu etablieren. Analysiere für dich selbst, welche Veränderung den größten Unterschied machen würde und eine so große Hebelwirkung hat, dass sich alle anderen Gewohnheiten sich mit ihr verbessern können?!
Schritt 5 – Selbstliebe & Aussetzer verzeihen:
Wie schon erwähnt, ist es extrem herausfordernd für unser Gehirn eine neue Gewohnheit in unseren Alltag einzubauen. Wenn es doch mal passiert das du einen Aussetzer/Rückfall hattest, dann sei bitte liebevoll mit dir und wirf nicht gleich deinen Plan über Bord. Alleine, dass du schon eine bewusste Entscheidung getroffen hast und dies deinem Umfeld mitgeteilt hast, ist ein RIESEN ERFOLG!
Schritt 6 – Finde Gleichgesinnte:
Sei dir erstmal bewusst, dass du nicht alleine mit deinem Problem bist. Es gibt unzählige Menschen, die demselben Muster verfallen wie du. Optimal wäre natürlich, wenn du Gleichgesinnte direkt in deinem engen Umfeld hast und diese mit dir an einem Strang ziehen. Das ist natürlich nicht immer so, deswegen kann das auch eine beste Freundin oder Freund sein, eine geschlossene WhatsApp- oder Facebook-Gruppe. Unsere digitale Welt ermöglicht sehr viel Austausch und auch Kontakt zu neuen Menschen, wieso also nicht auch darauf zugreifen?!
2. Problem: Du isst nach deinen Hauptmahlzeiten weiter, obwohl du schon satt bist.
Die oben genannten Punkte gelten natürlich auch für das zweite Problem. Bei diesem Problem kann dir jedoch auch eine tiefere Selbstreflexion helfen. Folgende Fragen kannst du dir selbst stellen:
Vor dem Essen:
- Brauche ich gerade wirklich Energie, oder esse ich aus Gewohnheit/Langeweile?
- Falls ich aus Langeweile esse: Was kann mir jetzt das Gefühl von guter Beschäftigung oder Entspannung geben? (Alternativen finden und aufschreiben, z.B. Musik hören, eine Atemübung oder eine kurze Meditation.)
- Welche Emotion würde mich zusätzlich zu dem Sättigungsgefühl außerdem erfüllen?
- Ist das, was auf meinem Teller liegt, wirklich reich an Nährstoffen?
- Ist die Menge ausreichend, oder möchten meine Augen gerade mehr?
Nach dem Essen:
- Fühle ich mich genährt? Falls nein: Welche Lebensmittel könnten dieses Defizit ausgleichen?
- Werde ich diese Energie im Laufe des Tages noch verbrauchen?
- Kann ich jetzt sofort aufstehen und einer anderen Tätigkeit nachgehen, oder fühle ich mich schwer und träge?
- Falls du dich schwer und träge fühlst: Aus welcher Motivation oder Emotion kam es dazu, diese Menge an Lebensmitteln zu dir zu nehmen? (Schaue dir auch deine anderen Lebensbereiche an, ob da vielleicht etwas im Ungleichgewicht ist? Stress ist oft ein Indikator, der sich auf unser Essverhalten auswirkt.)
- Ab welcher Menge war ich eigentlich satt?
- Einen Blick auf die Uhr werfen: Wie lange habe ich mir für die Mahlzeit Zeit gelassen?
20 Minuten ist hier ein guter Richtwert. Langes Kauen sorgt dafür, dass wir uns länger satt fühlen und unsere Verdauung einwandfrei funktioniert. Bitte fühle dich von all den Fragen nicht erschlagen, nutze sie eher als Werkzeug für dich, um dich besser zu reflektieren und zu neuen Erkenntnissen zu kommen.
Sei da einfach neugierig und beobachte dein Verhalten immer wieder. Es wird nicht vollends möglich sein, dem nachzukommen und einen perfekten Zeitpunkt für die Nahrungsaufnahme auszuloten. Das muss aber auch nicht sein! Es geht vielmehr darum ein Gleichgewicht zu etablieren, welches dafür sorgt dass du auf die Signale deines Körpers vertrauen kannst. Dein Körper muss sich wiederum darauf verlassen können, dass du seine Bedürfnisse ernst nimmst und darauf reagierst. Essen soll und darf Spaß machen! In vielen Kulturen bedeutet eine Mahlzeit, dass man zusammenkommt, dass man das Leben zelebriert und das man würdigt was da ist. Oft wird gebetet – man bedankt sich für das, was auf dem Teller gelandet ist.
Meine Erfahrungen im Ausland…
Vor allem durch meine Reisen nach Ghana und Jamaica habe ich beobachtet und gelernt, auf meinen Körper zu hören. Da ich viel mit Tänzern in Kontakt gekommen bin, habe ich einfach mal beobachtet wie da die Essensgewohnheiten sind. Gerade in Jamaica isst man oft ein bis maximal zweimal am Tag. Hauptsächlich viel Protein – oft Reis mit Bohnen, Hähnchen, oder sehr stärkehaltige Wurzelsorten wie Brotfrucht oder Yamswurzel, die lange satt halten. Auf Süßigkeiten und Milchprodukte wird größtenteils verzichtet, oft sind gerade diese Lebensmittel auch zu teuer und man beschränkt sich auf das Wesentliche.
Eine Frühstücks-Kultur, wie wir sie in Deutschland oder in anderen Teilen Europas kennen, existiert nicht. Vormittags reicht auch etwas frisches Obst (wenn überhaupt) und nicht selten habe ich beobachtet, dass eine feste Mahlzeit am Tag ausreicht und die Mahlzeiten nicht verschlungen werden, sondern sich Zeit gelassen wird. Eine Art Intervallfasten, die es dem Körper ermöglicht recht viel Energie zu schöpfen.
In unserer westlich-modernen Welt wird Essen oft als etwas gesehen, was schnell gehen muss und eben immer zur Verfügung steht. Der Bezug zur Natur und Regionalität geht verloren – dass bedeutet natürlich nicht, dass ich hier irgendjemanden einen Vorwurf machen möchte! Auch mich formt mein Umfeld und Alltag – jedoch habe ich nach meinen Reisen für mich beschlossen meinem Körper das Wesentliche zu geben. Also auch reflektierter mit meinem Verhalten umzugehen, und dies sowohl vor als auch nach den Mahlzeiten.
Scheue aber auch nicht davor zurück, dir Hilfe in Form von Ernährungsberatung oder Psychotherapie zu holen. Oft kann der Blick einer neutralen Person für neue Erkenntnisse sorgen und dich aus einem Teufelskreis holen.
Ein böser Endgegner ist der bekannte Heißhunger – hierauf werde ich im nächsten Blogbeitrag eingehen. Passend zur Fastenzeit kriegst du im nächsten Beitrag alle wichtigen Informationen zum Thema Fasten und basische Ernährung…
Wichtiger Hinweis: Solltest du bemerken, dass du zwanghaft zu einer extremen Richtung tendierst (überessen oder hungern) und dich nach deiner Aktion emotional geschädigt oder hilflos fühlst, dann kontaktiere bitte einen Arzt oder andere professionelle Hilfe?!!
Lass es dir schmecken – denn Essen ist an sich ein sooo schöner GENUSS!